
Wie fährt sich so ein zwanzig Jahre alter Sporttourer eigentlich? Naja, ausgesprochen souverän würde ich sagen. Die Fazer besticht vor allem durch ihren extrem niedrigen Schwerpunkt und das seidenweiche 600er Reihenvierzylindertriebwerk. Das relativ hohe Gewicht, von ca. 220 kg, relativiert sich enorm durch diese Faktoren. Die gedrosselten 48 PS der Maschine (ursprünglich 95 PS, damit an der A2-Drossel-Obergrenze) bieten absolut akzeptable Beschleunigungswerte und mit einer realistischen Endgeschwindigkeit von ca. 170 bis 180 km/h auch "genug Luft nach oben", wenn es mal auf die Autobahn geht.
Dort kann die Yamaha aufgrund ihrer Halb-Verkleidung zwar punkten und lässt somit auch etwas höhere Reisegeschwindigkeiten zu, jedoch fühlt sich die Maschine auf Land- und Bundesstraßen am wohlsten. Dank des niedrigen Schwerpunkts lässt sie sich spielerisch durch Kurven zirkeln und wird auch bei scharfem Bremsen vorm Kurveneingang kaum unruhig. Die Bereifung von 110/70 ZR 17 (vorn) und 160/60 ZR 17 (hinten) wirkt für heutige Maßstäbe eventuell etwas unterdimensioniert, reicht aber völlig aus und beschert eine gute Wendigkeit, gerade bei den (nur) 48 PS des Testmotorrads.
Natürlich sind ABS und andere Assistenzsysteme bei einem Motorrad von 1999 nicht vorhanden, was präzises Arbeiten mit Gas, Bremse und Kupplung erfordert. Auch die Vergaser verzeihen nicht jedes gnadenlose Gasaufreißen, wie beispielsweise moderne Einspritzanlage, was sich vor allem im untertourigen Bereich zwischen 1500 und 3000 U/min bemerkbar macht. Jedoch lässt sich bei gefühlvoller Gashand und gut eingestelltem Spiel des Gasgriffs jegliches Ruckeln oder Verschlucken vermeiden.
Das Fahrwerk der Fazer ist von Werk aus sehr komfortabel ausgelegt, was auf Landstraßen mit schlechtem Belag zwar viel hilft, jedoch im allgemeinen Betrieb einen Tick zu schwammig wirkt. Abhilfe dagegen können schon Gabelfedern (meist progressiv) aus dem Zubehör schaffen. Auch Federbein-Alternativen für das Heck sind zu bekommen.
Der Sound des Reihenvierers ist, für die Serien-Abgasanlage, beachtlich. Dies ist zurückzuführen auf das Baujahr und den somit nicht vorhandenen Katalysator, der natürlich Sound fressen würde. Durch unzählige Zubehör-Slip-Ons oder Komplettanlagen lässt sich das Hörerlebnis natürlich noch verfeinern, jedoch ist die Geräuschkulisse im Alltags- und Tourenbetrieb äußerst angenehm und in keinster Weise aufdringlich.
Auch dem Sitzfleisch geht es im Tourenbetrieb gut, aufgrund der gut gepolsterten, relativ weichen Sitzbank. Damit sind auch längere Strecken ohne größere Beschwerden zu meistern. Dies führt in Kombination mit einem schon recht schmalen Tank (18 L Fassungsvermögen, später 20 bzw. 22 L) , sowie dem hohen Lenker zu einer angenehmen, aufrechten Sitzposition. Jedoch nur für eine Person, da die Soziusfußrasten viel zu hoch angebracht sind und ein längeres Sitzen unmöglich machen. Schade, gerade wenn der Rest absolut langstreckentauglich ist. Wenn die Scheibe der Halbverkleidung noch etwas höher wäre, würde auch Großgewachsenen der Wind über den Helm geleitet werden, so pfeift es doch ganz schön aufs Visier.
Als praktisch entpuppt sich das kleine Fach unter der Sitzbank, welches Platz für etwas zu Trinken, das Portmonnaie und anderen Kleinkram, sowie das Bordwerkzeug bietet und so ein kleiner Tankrucksack erspart bleiben kann.
Die Lichttechnik ist natürlich nicht mit heutigen Maßstäben zu vergleichen, an der Front agieren Halogenscheinwerfer, auch sonst kommt die FZS 600 mit normalen Glühlampen aus. Eine Umrüstung auf kleinere Blinker mit LED-Technik ist da die naheliegendste Veränderung, ansonsten sieht es mit besserer Ausleuchtung eher mau aus. Die Instrumente sind klassisch im 90er-Jahre-Stil neongrün beleuchtet.
Da die Maschine ein 1999er Baujahr ist beherbergt sie noch das 18 Liter Spritfass. Spätere Baujahre warteten mit 20 und später 22 Liter fassendem Tank auf. Eben diese sind dadurch auch noch einmal langstreckentauglicher als die frühen Versionen. Bei unserem Exemplar ist, je nach Fahrstil, eine theoretische Reichweite von 320 bis 360 km drin. Ist in Ordnung, könnte mehr sein und da die Tankuhr gerne mal spinnt geht es meistens schon vorsichtshalber nach ca. 250 bis 300 km an die Tanke. Da die Yamaha ursprünglich für Normalbenzin ausgelegt ist, lässt sie sich mit Super 95 wunderbar bewegen.
Zur Optik, es gab auch 1999 Maschinen die frischer aussahen und auch heute noch zeitloser wirken als die Fazer, man nehme beispielsweise eine Suzuki SV 650 N, Honda VTR 1000 und diverse Italiener. Doch über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten, darum jedem das was ihm gefällt.
Zusammenfassend lässt sich die Yamaha FZS 600 Fazer als anspruchsloser, von Werk aus eher tourenorientierter Sporttourer der Mittelklasse bezeichnen. Durch ein paar kleine Eingriffe kann aus dem Bike aber ein scharfes Gerät zum Kurven wetzen gemacht werden. Somit ist sie vielseitig, zuverlässig, günstig in Anschaffung und Unterhalt (gute Exemplare gibt es schon teilweise für unter 2000 €) und dabei in keinster Weise langweilig. Vor allem für Fahranfänger oder Führerscheinaufsteiger ein gutes Motorrad zum Kilometer schrubben und Erfahrung sammeln.
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Mario (Montag, 10 Mai 2021 09:52)
Hallo, Servus
Welche Art von Drossel ist verbaut?
Vergaser oder Gaswegbegrenzer?
Super Bericht �
Grüße Mario